2014 erstmals erschienen, verkauft sich das Buch in seiner neuen, überarbeiteten Auflage weiterhin ungebremst. Das Thema ist so aktuell wie nie. Die Gender-Debatte hat längst die Politik erreicht und wird breit in den Medien diskutiert. In diesem wegweisenden Buch zeigen die Autor:innen auf, wie stark Kinder schon vor der Geburt und dann kontinuierlich in stereotype Geschlechterrollen gedrängt werden. Neben Themen aus dem Alltag werden dabei auch die allgemeine Entwicklung und die Auswirkungen auch im Schulalltag behandelt. Dabei erfolgt stets der Bezug auf wissenschaftliche Studien unter Angabe der Quelle. Es regt Eltern, Lehrende sowie die gesamte Gesellschaft zum Nachdenken darüber an, wie wir – heute sogar stärker denn je – Kinder in Abhängigkeit von ihrem angeborenen Geschlecht in ihrer Entwicklung beeinflussen.
Über die Autor:innen
Almut Schnerring und Sascha Verlan, eigentlich Kommunikationswissenschaftlerin und Literaturwissenschaftler, sowie Journalist:innen, mit drei gemeinsamen Kindern, haben seit dem erstmaligen Erscheinen ihres Buches eine breite Community aufgebaut. Zusammen haben sie einen gemeinnützigen Verein gegründet, dessen Ziel die Förderung der Gendergerechtigkeit ist. In verschiedenen Projekten setzen sie sich unter anderem für Aufklärung auch bei Pädagogen und gegen Gendermarketing in der Wirtschaft ein.
Überarbeitete Ausgabe
In der neu überarbeiteten Ausgabe beziehen die Autor:innen die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse seit dem erstmaligen Erscheinen des Buches mit ein, wie beispielsweise die Gender Pricing Studie des Bundesministeriums der Antidiskriminierung, dem Global Gender Report aus 2020 oder neue Erkenntnisse aus Ausgrabungen, die belegen, dass für männlich gehaltene Krieger in Wahrheit zum Teil Frauen waren oder die „Liebenden von Modena“ eigentlich zwei Männer. Sie beleuchten die Entwicklungen der letzten Jahre und untermalen diese mit Erzählungen und zahlreichen, lebhaften Beispielen aus den sozialen Medien.
Dem Buch vorangestellt haben die Autor:innen einige FAQs, die sie seit dem Erscheinen des Buches erreicht haben.
Mathematische Fähigkeiten
Im ersten Kapitel wird dargestellt, wie sich das Klischee, dass Mädchen schlechter in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern seien, bereits in der Grundschule auf ihre Leistungen auswirkt. Die psychologischen Hintergründe werden beleuchtet und Studien beschreiben, die das Phänomen untersucht haben. Sie zeigen auf, wie auch gerade Kampagnen, die Mädchen zu den sogenannten MINT-Fächern motivieren wollen, Rollenklischees replizieren und dadurch genau das Gegenteil erreichen.
Einflüsse vor und nach der Geburt
Interessant ist die Feststellung, dass bereits vor der Geburt eines Kindes, das bekanntgewordene Geschlecht Auswirkungen auf die Ansprache und den Umgang bereits mit dem Fötus im Bauch haben. Es werden darüber hinaus Studien erörtert, die zeigen, wie unterschiedlich Babys behandelt werden, je nachdem welche Farbe die Kleidung hat, die sie tragen und wie diese Farbe mit einem Geschlecht assoziiert ist. Auch mit vermeintlichen biologischen Gegebenheiten wird wissenschaftlich belegt aufgeräumt.
Weitere Entwicklung
In den folgenden Kapiteln wird die weitere Entwicklung der Kinder im Kindergarten- und Schulkontext beleuchtet. Es wird anhand von Alltagsbeispielen und Studien gezeigt, wie Kinder regelmäßig in das Klischee des zugeschriebenen Geschlechtes gedrängt werden. Es werden Tipps gegeben, wie man das eigene Verhalten reflektieren und geschlechtsneutraler agieren kann. Denn die Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen geschieht in der Regel unbewusst. Betont wird dabei stets, dass es um eine gleichwertige Behandlung, nicht um eine „Gleichmacherei“ gehe. Auch die Auswirkungen auf die zukünftige Berufswahl und Übernahme der Carearbeit lassen die Autor:innen an vielen Stellen einfließen.
Ein weiteres Kapitel widmet sich der Spielzeug- und Ernährungsindustrie. Es wird die Entwicklung von genderneutralem Spielzeug zu immer mehr auf „Jungen“ und „Mädchen“ gelabeltes Spielzeug und Convenienceprodukte hin beschrieben.
Im Folgenden wird die Zuschreibung sportlicher Aktivitäten sowie von Körperformen hinterfragt. Auch der Einfluss von Geschlechterrollen in den Medien wird unter die Lupe genommen. Des Weiteren wird das gesamte schulische Umfeld und die dortigen Auswirkungen aufgrund der unbewussten Andersbehandlung von Mädchen und Jungen analysiert. Anschließend beschäftigen die Autor:innen sich noch mit der Wirkung von Sprache und der historischen Entwicklung der Trennung der Geschlechter und Zuschreibung von Rollenklischees. Dabei beleuchten sie, dass vorgebliche archäologische oder biologische Argumente in der großen Breite kein wissenschaftliches Fundament aufweisen.
Zum Schluss geben die Autor:innen noch Tipps und Hinweise, sowie Denkanstöße, wie man Schritt für Schritt zu einer genderneutralen Erziehung gelangen kann. Dabei betonen sie das Bewusstsein, dass man in der aktuellen Gesellschaft keine komplette Umkehr, jedoch Impulse in die richtige Richtung geben könne.
Fazit
Man darf hier kein Fachbuch erwarten. Das Buch richtet sich an die breite Gesellschaft und arbeitet viel mit Anekdoten und Vereinfachungen. Dadurch liest es sich leicht und unterhaltsam. Gleichzeitig wird die Argumentation anhand der vorhandenen Studienlage mit Quellenangaben belegt. In jedem Fall eine interessante Lektüre, um auch im (Schul-)Alltag auf das eigene Klischeedenken und damit verbundene Handeln aufmerksam zu werden.
Wer mehr wissen will, kann sich auch auf dem Blog rosa-hellblau-falle.de einen ersten Eindruck verschaffen.
Titel: Die Rosa-Hellblau-Falle – Für eine Kindheit ohne Rollenklischees (aktualisierte Neuausgabe)
Autor: Almut Schnerring, Sascha Verlan
Herausgeber: Verlag Antje Kunstmann
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-88897-938-5