Die Interessen von Jungs und Mädchen sind durchaus unterschiedlich. Das zeigt sich zum ersten Mal im Kindergarten. Jungs interessieren sich für Bauklötze und bauen Sandburgen. Die meisten Mädchen widmen sich sozialen Rollenspielen.
Im Schulalltag höherer Klassen bilden sich demzufolge zwei Lager aus. Auf der einen Seite stehen Mädchen mit hohem Sprachvermögen. Auf der anderen Seite glänzen Jungs in Mathematik und Physik. Das Problem: Mit zunehmendem Jugendalter schämen sich Jungs ihre Schwierigkeiten in den Sprachen zu zeigen, Mädchen ergeht es in den MINT-Fächern ähnlich.
Diese Situation führt seit einigen Jahren zur Annahme, getrenntgeschlechtlicher Unterricht könne zur Problembeseitigung beitragen. Doch macht diese Art des Unterrichtes wirklich Sinn?
Geschlechterstereotype: Das ist wirklich dran
Wenngleich das Thema geschlechtsspezifischer Unterricht zu hitzigen Debatten führte, ist eines nicht von der Hand zu weisen:
Zahlreiche Mädchen trauen sich in Fächern wie Physik und Mathematik weniger zu, wenn Jungs mit im Raum sind. Oftmals geraten Jungs in der Kindheit mit Bauklötzen, Werkzeugen und technischen Themen in Kontakt. Bei Mädchen wird darauf kaum Wert gelegt. Haben sie ein bestimmtes Alter erreicht, fühlen sie sich unterlegen. Die Beteiligung im Unterricht bleibt aufgrund von Scham aus.
Viele Jungs stehen in den sprachlichen Fächern vor ähnlichen Herausforderungen. Mädchen haben bereits als Kinder im Rahmen von Spielen hochkommunikative Fähigkeiten entwickelt. Im Zuge dessen fällt ihnen das Erlernen von Sprachen sehr leicht. Jungs werden von ihnen in den Hintergrund gedrängt und so neigen sie ebenso dazu, sich nicht aktiv am Deutsch- und Fremdsprachenunterricht zu beteiligen.
Die Folgen gemeinsamer Unterrichtsstunden
Die Nicht-Beteiligung am Unterricht begünstigt ungenügende Leistungen im Unterricht. Lehrer fördern den Zustand unbewusst, indem sich etwa Mathelehrer auf Jungs und Deutschlehrer auf Mädchen konzentrieren. Kinder fühlen sich vergessen und nicht ausreichend gefördert.
Und: Wer nicht in frühen Jahren Zugang zu den vermeintlich geschlechtsuntypischen Inhalten bekommt, wird später Schwierigkeiten beim Erlernen der für das Fach notwendigen Strukturen haben. Die Konsequenz: Mädchen ergreifen selten einen der gefragten MINT-Berufe, obgleich es einen akuten Mangel gibt. Jungs bleibt der Übergang in kommunikative Berufe meist vorenthalten.
Geschlechtsspezifischer Unterricht – tatsächlich eine gute Lösung?
Eine potenzielle Lösung bietet sich im geschlechtsspezifischen Unterricht. Dieses Unterrichtsmodell sieht weiterhin das vollumfängliche Fachangebot für alle Schüler und Schülerinnen vor.
Allerdings werden kritische Fächer, zu denen etwa Physik, Mathematik und Sprachen gehören, getrenntgeschlechtlich unterrichtet. Der große Vorteil besteht im Wegfall der Scham. Außerdem können sich Lehrer den geschlechtsspezifischen Bedürfnissen und Fragen so besser widmen.
Weitere Vorteile getrenntgeschechtlichen Unterrichts:
- Kinder können sich gänzlich öffnen
- Aktivere Beteiligung der Mädchen an naturwissenschaftlichen Experimenten
- Entdecken der Schönheiten der Sprache auf Seiten der Jungs
- Förderung des Selbstbewusstseins beider Geschlechter
Auf der anderen Seite ist das Modell bislang nicht ausgiebig getestet worden. Ob eine solche Trennung tatsächlich zu besseren Leistungen führt, ist daher fraglich. In jedem Fall bringt der getrennte Unterricht in vielen Fällen Vorteile mit sich. Die Förderung von Schülern und Schülerinnen ist so in allen Bereichen möglich.
Nachteile der Trennung im Unterricht
Ziel der Trennung ist die Förderung der Leistung von Mädchen in Naturwissenschaften und Mathematik. Gleichsam sollen die Jungs im sprachlichen Fachunterricht von der Trennung profitieren. Allerdings tritt hierbei ein Problem auf: Lehrer richten ihren Unterricht auf die neuen Ziele aus. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Jungs führt zu einer Verringerung der schulischen Leistungen in Naturwissenschaften und Mathematik.
Auch bei Mädchen fehlt die Zeit im Unterricht, um die Sprachfähigkeiten anzukurbeln. Lehrer konzentrieren sich vermehrt auf den Zugang weiblicher Schüler zu den Naturwissenschaften. Es könnte eine Lernlücke in den einstigen Talentächern entstehen.
Was außerdem gegen getrennten Unterricht spricht:
- Auftretende Schwierigkeiten im Umgang mit dem anderen Geschlecht
- Trennung in Gruppen – auch auf dem Schulhof und in der Freizeit
- Probleme im Bereich der Konkurrenzfähigkeit
- Mädchen mit Talenten in MINT-Fächern und sprachversierte Jungs haben gravierende Nachteile
- Das Selbstbewusstsein der Schüler leidet
Fazit zum Unterricht nach Geschlecht
Prinzipiell kann der getrenntgeschlechtliche Unterricht einige Vorteile bedeuten. Hierbei kommt es auf das Maß der Trennung und das Schaffen eines zeitgemäßen und sinnvollen Ausgleiches an. Lehrkräfte sind dazu angehalten, die Schüler innerhalb von Pausen zusammenzuführen und stereotype Denkweisen nicht aufkommen zu lassen. Unter Einsatz von neuesten Erkenntnissen kann getrennter Unterricht eine Bereicherung für Lernende sein.
Viel besser ist es jedoch den Kindern auf andere Weise zu begegnen. Obligatorische oder auch fakultative Arbeitsgemeinschaften, in die jeweils nur Jungs oder Mädchen gelangen, könnten das Problem neben dem Unterricht beheben. Schulen benötigen hierfür geschultes Fachpersonal. Alternativ reicht die Bereitschaft von Lehrern aus, sich nach dem klassischen Schulunterricht den Kompetenzen der jeweiligen Gruppen zu widmen.